23.Dezember.2021 - Benjamin Rudolph
Resonanz mit der Welt
Joachim Bauer hat in seinem Buch Wie wir werden, wer wir sind geschrieben: “Wer in Resonanz geht, verändert sich.” (Bauer 2019:23) Das stimmt! Ob als Säugling, Jugendlicher oder Erwachsener. Wie die neuesten neurowissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, hört die Prägung, Veränderung und Entwicklung unserer Persönlichkeit nie auf. Wir geben Resonanz und wir empfang Resonanz. Bewusst oder unbewusst. Ich will hier kein wissenschaftliches Fass aufmachen, aber sehr wohl aufzeigen, dass das Resonanzgeschehen eine, wenn nicht sogar DIE wichtigste Voraussetzung ist, wenn wir darüber nachdenken wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und interpretieren (vgl. Rosa 2021).
Wenn wir uns heute darüber Gedanken machen, wie wir unsere Welt gestalten können (auch im Kleinen, wie in der Familie, Beruf, Bekanntenkreis), sollten wir über unser Resonanzvermögen nachdenken. Wie ist unsere Beziehung zur Welt? Wie sehen wir sie? Wir wirkt sie auf uns und wie begegnen wir all den Dingen darin? Je nachdem welche Antworten wir darauf finden, gehen wir auch in Resonanz. Bewusst und unbewusst. Seit dem ich mir diesem Thema bewusster geworden bin, gehe ich seit einiger Zeit auch bewusster in den Tag und in die Welt. Es ist Herausforderung und Chance zugleich.
Auch als Kirche ist das “in Resonanz gehen” von entscheidender Bedeutung. “Wer in Resonanz geht, verändert sich”. Kirche ist nicht “von dieser Welt” aber “in dieser Welt” (vgl. Joh 17). Die Auseinandersetzung und der Austausch mit der Welt ist unweigerlich mit “in der Welt sein” verbunden. Wenn Kirche, als Teil der Welt, seinen Platz finden und leben möchte, bedarf es diesem “in Resonanz gehen”. Die dabei notwendige Bereitschaft kirchliche und theologische Traditionen, Praktiken und Strukturen selbstkritisch zu reflektieren, ist wesentlicher Ausdruck der Resonanzfähigkeit. Dies ist eine Herausforderung und Chance zugleich. Ich sehe es mehr als eine Chance, als etwas schönes und inspirierendes, Gott in der Welt zu entdecken. In der Auseinandersetzung, im Austausch und im gemeinsamen Lernen mit unserer Gesellschaft Neues für unsere Zukunft als Kirche zu entdecken, so dass es uns prägen und formen kann.
Mit diesem Gedanken gehe ich in das Jahr 2022 und hoffe, dass, nach der Pandemie, uns inspirierende Begegnungen finden, neue Horizonte und Möglichkeiten uns prägen und verändern.
“Wer in Resonanz geht, verändert sich …” und wer nicht in Resonanz geht, der…
Nun ja, ich hoffe, dass wir uns (persönlich und als Kirche) verändern und entwickeln werden.
Literatur:
Rosa, Hartmut 2021. Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. 5. Aufl. Berlin: Suhrkamp.
Bauer, Joachim 2019. Wie wir werden, wer wir sind. Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz. 4. Aufl. München: Blessing.