Kontor Konkret

30.Juli.2021 - Gabriele Hartlieb

Green

„Grün, grün, grün sind alle meine Kleider, grün. Grün! Grün ist alles, was ich hab“: ich mag dieses alte Liebeslied voller Farbenfreude. Und besonders mag ich die „grüne“ Strophe, obwohl ich dem Beruf des besungenen geliebten Jägers nicht viel abgewinnen kann. Das liegt daran, dass ich mich an der Farbe Grün kaum sattsehen kann. Soviele Grüns gibt es in Südbaden, wo ich lebe, Wiesengrün, Weinblattgrün, Tannengrün ringsum.

Grün ist nicht irgendeine Farbe.

Das jeder Mensch Grün mit Leben und frischer Luft verbindet, hat mit der Photosynthese zu tun, diesem zentralen, vielleicht wichtigsten Prozess zum Leben auf der Erde. Durch ihn entsteht zu 100 Prozent der Sauerstoff, den wir einatmen. Die Photosynthese findet ausschließlich in den Chloroplasten, d.h. den grünen Teilen von Pflanzen statt.

 

Eine ganze Weile vor den Erkenntnissen dieses Prozesses, der sich in jeder einzelnen Blattzelle abspielt, hat eine botanisch und theologisch gelehrte Frau des Mittelalters gesagt:

Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit und diese Kraft ist grün. Aus lichtem Grün sind Himmel und Erde geschaffen und alle Schönheit dieser Welt.  Hildegard von Bingen sagt das im dreizehnten Jahrhundert. Gottes Schöpferkraft ist grün, das ist die Beobachtung Hildegards, sie nennt diese lebendige Energie „Grünkraft“. Das leuchtet mir ein. Das ist grüne Energie, die ganz ohne neue Technologien auskommt. Sie ist immer schon da. Denn Gottes Schöpferkraft ist ja nichts einmal Wirkendes, das den Anfang gesetzt hat und dann nicht mehr in der Welt ist, glaube ich. Gottes Kraft aus der Ewigkeit dreht die Erde immer weiter, Gottes lichtes Grün bewahrt die Welt davor, ganz ins Chaos abzustürzen.

Davon war Hildegard von Bingen auch überzeugt, die viel Ahnung von der Natur hatte und viel von Gott verstanden hat. Was sie „Grünkraft“ nennt, ist die eine göttliche Grundkraft des Lebendigen, die auch heilende Fähigkeiten hat.

Der menschengemachte Klimawandel ist mit der Flutkatastrophe in diesem Sommer auch bei uns angekommen und hat uns seine zerstörerische Kraft spüren lassen. Das lebendige Gleichgewicht ist offensichtlich gestört – und es muss sich etwas ändern. Dazu müssen wir Menschen uns bewegen, als Einzelne und als Gesellschaft. Wir müssen tun, was wir können, um die öko-soziale Transformation zu schaffen. Und ich glaube, dabei hilft uns eine Kraft aus der Ewigkeit und diese Kraft ist grün. Darum mag ich das Liebeslied von den grünen Kleidern so gern: „Grün, grün, grün ist alles, was ich hab!“

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