Kontor Konkret

04.Februar.2021 - Markus Schulz

1500 Jahre Quarantäne.

Ich lerne von Benedikt.

Der Mann mit dem grauen Rauschebart ist vielen gut bekannt: Pater Anselm Grün. Ich frage mich immer wieder, wie er es schafft, so schnell so viele Bücher zu schreiben. Und dabei trifft er auch noch oft den Nerv der Menschen. So wie bei seinem neusten Buch: Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung.

Kann es wirklich sein, dass eine 1500 Jahre alte Tradition, die hinter dicken Klostermauern entstanden ist, Hilfestellung bietet für die Corona-Pandemie? Ich habe mir das Buch gekauft und bin schon mal ziemlich interessiert. Eine Freundin hat es mir empfohlen, die auch eine große Familie hat, so wie ich. Sie kann ein paar Tipps zum friedlichen Umgang miteinander in einer Quarantäne-Situation genauso gut gebrauchen wie ich.

 

Drei schräge Tipps für meinen Alltag

Der heilige Benedikt schreibt also durch Anselm Grün mir und meiner Freundin ins Stammbuch, dass es drei Kriterien für ein gutes, friedvolles Zusammenleben gibt. „Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen und ob er fähig ist, Widerwärtiges zu ertragen.“ Klingt schon wie aus einer anderen Zeit. Ist es ja auch. Und trotzdem: Ich will mich dem anderen darin, dem alten stellen. In einem Buch über Selbstführung habe ich mit benediktinischen Regeln auch schon ganz gute Erfahrungen gemacht. Also dann, drei Kriterien. Eifer zum Gottesdienst, Gehorsam und Widerwärtiges ertragen.

 

Gottesdienst als Lebenshaltung

Hmm, Gottesdienst mag ich wirklich sehr, nicht nur aus beruflichen Gründen. Aber gerade jetzt, in der Zeit des Lockdowns, empfinde ich es als Riesenprivileg, dass ich mitmachen darf im Gottesdienst, dass ich in der Band singen darf. Vor dem Fernseher zu sitzen, einfach nur zu konsumieren, das geht längst nicht so tief in die Seele, wie selbst Beteiligter zu sein. Trotzdem, meint Benedikt das? Dieses Format von öffentlicher Feier durch die Institution Kirche? Ich vermute ehrlich gesagt, dass es um mehr geht. Gottesdienst als innere Einstellung des Lebens. ZU wissen, verinnerlicht zu haben, dass es mehr gibt als mich, mehr als mein kleines einzelnes Leben, mehr sogar als die Welt mit ihren herausfordernden Corona-Bestimmungen. Gottesdienst meint, dass ich mich in etwas größeres eingebunden weiß – und das feiern wir.

 

Unpopulär, gefährlich und hilfreich: Gehorsam

Das mit dem Gehorsam ist auch so eine Sache. Im Kloster ist es selbstverständlich, dass Gehorsam gefragt ist. In einer modernen oder sogar postmodernen Welt, wie sie meinen Alltag bestimmt, ist Gehorsam so ziemlich das letzte. Wer will schon unterwürfig sein?

Die Auswirkungen von blindem Gehorsam haben sich erst kürzlich beim Ansturm auf das Kapitol in Washington gezeigt. Wenn der falsche zum Gehorsam aufruft, kann es schlimme Folgen haben.

Trotzdem: Ich glaube, dass eine Gesellschaft, die funktionieren will, Gehorsam braucht. Die negativen folgen erleben wir ja andersherum auch, wenn Masken einfach nicht getragen werden oder andere sinnvolle Regeln einfach nicht eingehalten werden. Du kannst nicht gegen alles sein.

 

Muss es wirklich wehtun?

Und dann noch das letzte: Leidensbereitschaft. Klingt ja schon ein bisschen masochistisch, wenn der gute Benedikt von der Bereitschaft, Widerwärtigkeiten zu ertragen schreibt.

Meine Erfahrung ist: Da ist was dran. Meine Kinder finden z.B. Abfahrtski viel besser als Langlauf. Da wirst du gemütlich hochgezogen und fährst wieder runter. Ich liebe Langlauf. Wenn ich oben auf der Höhe ankomme, dann spüre ich alle meine Knochen. Aber ich spüre auch, etwas geschafft zu haben. Ich spüre meinen Körper und damit mich selbst. Etwas, das du dir erkämpft hast, ist doch wertvoller als das, was ohne Not einfach bei dir gelandet ist.
Muss es also wehtun? Ja, ich glaube schon. Und der Abgesang auf alles, was mit Leistungsgesellschaft zu tun hat, ist vermutlich nicht der Königsweg.

 

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Ich bin jetzt erst am Anfang von Anselms Buch und lerne vermutlich noch mehr von Benedikt. Mal sehen, was am Ende hängen bleibt.

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