Kontor Konkret

11.Februar.2021 - Michael Born

Whisky

Wasser des Lebens

Bernsteinfarben, leicht golden oder auch blassgelb gleitet er in das Glas. Schon an der Bewegung der Flüssigkeit lassen sich erste Unterschiede bemerken. Fließt sie eher ölig, schwerfällig oder unruhig in das Glas hinein? Meist steigen sofort erste Aromen in die Nase: Früchte, schwere Süße, dunkle Schokolade, aber es können sich auch würzige, scharfe, gar medizinische oder torfig-teerige Anklänge unter die Eindrücke mischen.

Für mich persönlich mein Lieblingsmoment des Whiskygenusses. Die Aromen mit der Nase entdecken. Mit Erinnerungen verknüpfen. Da erinnert mich beispielsweise ein Whisky mit Portwood-Finish an den Rosinengeruch in der Backschublade meiner Mutter. Oder aber der beißende Torf eines Islay-Whiskys daran, wie ich als Kind gerne beim Teeren einer Straße zusah. Das Entdeckungsspiel mit den Aromen des Whiskys ist auch immer eine Reise in eigene Erinnerungen. Dafür braucht man Zeit und Ruhe, weshalb ich Whisky nicht trinke, sondern genieße. Mit allen Sinnen.

Nach einer ausführlichen Phase des Riechens, dann ein vorsichtiger erster Schluck. Findet meine Zunge das wieder, was die Nase verheißen hat? (Ganz nebenbei: ich lasse mir auch deshalb soviel Zeit zum „Verriechen“ eines Whiskys, da unsere Nase über 400 Gerüche unterscheiden kann. Eine Zahl, von der unsere Geschmacksnerven nur träumen können. Es wäre also ein jämmerlicher Verlust, würde man einen Whisky einfach nur trinken.) Manchmal ja, manchmal nein. Manchmal verstärken sich im Geschmack die Eindrücke aus der Nase, werden intensiver, noch greifbarer. Manchmal aber kommen ganz andere Eindrücke hinzu. So oder so ist der Genuss immer ein Zusammenspiel von Geruchs- und Geschmackssinn.

 

Aber was ist Whisky eigentlich?

Whisky (aus dem gälischen „uisge beatha“ = Wasser des Lebens) ist eine destillierte Spirituose aus Getreidemaische, die zur Reifung in Holzfässern gelagert wird. Die älteste urkundliche Erwähnung von Whisky stammt aus dem Jahr 1494, vermutlich wurde er aber bereits seit dem 5./6. Jahrhundert in Klöstern als Heiltinktur hergestellt.

 

Whisky als geistlicher Lehrer

Aber nicht nur als Genussgetränk fasziniert mich Whisky. Nein, die Beschäftigung mit diesem Getränk kann auch zu einer Schule im geistlichen Leben als Christ werden:[1]

  1. Ich lerne vom Whisky Geduld und Achtsamkeit. Wie schon beschrieben brauche ich für den Genuss von Whisky Zeit und Ruhe. Um den Geschmack wirklich zu ergründen brauche ich mitunter auch Beharrlichkeit (nicht jeder Whisky erschließt sich mir beim ersten Probieren). Er stellt sich dem immer mehr, immer schneller entgegen und lehrt mich damit eine tiefe geistliche Wahrheit: Denn auch in der Begegnung mit Gottes Wort brauche ich diese Geduld und Achtsamkeit. Ich brauche Ruhe und Zeit, um es in seiner Tiefe zu verstehen.
  2. Der Whisky lehrt mich als Genussmittel – also ein Lebensmittel, das wir nicht unmittelbar zum Leben brauchen – etwas über die Güte Gottes: Unser himmlischer Vater ist kein Minimalist, der uns nur das zum Überleben Nötige gibt. Er hat uns mit der Fähigkeit zu genießen erschaffen. Und jeder irdische Genuss gibt uns einen kleinen Vorgeschmack auf das „Leben in Fülle“, das wir einmal in seiner Gegenwart genießen
  3. Schließlich lehrt uns die Reifung eines Whiskys Erstaunliches über das geistliche Reifen eines Christenmenschen. Ein guter Whisky reift eine lange Zeit durch Lagerung im Eichenfass. Obwohl der Whisky während dieser Zeit zum „Nichts-Tun“ verdammt ist, geschieht sehr viel: Whisky verdunstet in die Fasswand hinein (wird also weniger) und nimmt dabei Aromen aus dem Holz in das Fass hinein (gewinnt also auch dazu). Diese zwei Vorgänge spielen auch beim „geistlichen Reifeprozess“ eines Christen eine entscheidende Rolle. Ich muss mir immer wieder die Frage stellen: Wo soll Gott mich von negativen Eigenschaften befreien, reinigen (substraktive Reifung)? Und wo brauche ich das Geschenk, dass Gott meinem Charakter wertvolle Aromen hinzufügt? (additive Reifung)

 

So und in Maßen (!) genossen ist Whisky weit mehr als ein alkoholisches Getränk. Er ist ein Genuss, der mich zur Ruhe führt und mich so manches über eine tiefe Spiritualität lehren kann. Nicht umsonst nannten ihn die iro-schottischen Mönche also uisghe beata – Wasser des Lebens.

 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Magazon MOVO 3/2018.

[1] vgl. das hervorragende Büchlein: Wolfgang F. Rothe: Wasser des Lebens. Einführung in die Spiritualität des Whiskys, EOS-Verlag, Sankt-Ottilien 2016

Michael Born (35) ist verheiratet mit Regine und hat zwei Söhne. Er ist Pfarrer in Laufenburg und Mitglied im Leitungsteam von churchconvention.

 

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